Tag 8 (Mi 10.06.)
NEW COMMUNITY + NEW RITUALS
Die Republik spricht täglich von der jüdisch-christlichen Tradition des Abendlandes, gewöhnlich im Sinne der Verteidigung des Rechtsstaates und des Grundgesetzes, der freiheitlichen Werte unserer Gesellschaftsordnung, auch gern mit Hinweis auf die »Gleichstellung der Geschlechter, Freiheit der Kunst, Meinungs- und Religionsfreiheit«. Ein Kampfplatz, auf dem es vor allem einen Gegner gibt, der zu gar keinem Bindestrich zu taugen scheint: der Islam. Oft wird er refl exhaft gleichgesetzt mit Religion – einer Religion, die ihre »kriegerisch-arabischen« Ursprünge nicht verleugnen könne. Sie bestehe aus Scharia und Koran, erklären die Experten, Moderatoren, Pädagogen, Politiker und Journalisten und beschwören dagegen die jüdisch-christliche Tradition. Die Philosophin Almut Shulamit Bruckstein Coruh entlarvt diesen Mechanismus als Konstruktion und lädt zur Reflexion und Produktion neuer kultureller Verbindungen ein. Unterstützt wird dieser Prozess auf performativer Ebene von der Choreografin Krõõt Juurak und dem Künstlerkollektiv Refugium, das sich auf die Errichtung »Temporärer Autonomer Zonen« nach Hakim Bey spezialisiert hat.
POSTIDENTITÄRES PRE-ENACTMENT ZUR AUFWEICHUNG KULTURELLER VERPANZERUNGEN
Die Installation HAMAMNESS ist eine 140 Quadratmeter große, realexistierende Heterotopie. HAMAMNESS kombiniert Wellness-Konzepte mit postkolonialem Diskurs und performativen Assoziationen in einer aufblasbaren Raumarchitektur. Vom Ruheraum gelangt man in die Waschzonen, wo die Temperatur bei 45°C liegt und die Luftfeuchtigkeit hoch ist. Physiotherapeuten, Tellaks (Hamam-Bademeister) und Natirs (Hamam-Badefrauen) begleiten die körperlichen Prozesse. Künstler stellen die eine oder andere festgefahrene Gewissheit performativ auf den Kopf und die Diskursgäste lassen in diesem neuartigen kulturellen Klima ihr Wissen ausdünsten. So entsteht eine postmoderne Vielheit, die auftretenden Tendenzen zu Exklusion und Segregation sowie die Rückbesinnung auf den nationalen Kontext kontert, dekonstruiert und erweitert. Mit verschiedenen kulturellen Praktiken werden die Dualismen von Körper/Geist, Mann/Frau, mit/ohne Migrationshintergrund aufgeweicht und abgeschrubbt. Streifen Sie Ihre Alltagskleidung ab und entledigen Sie sich Ihrer kulturellen Verpanzerungen. HAMAMNESS vermittelt neue Körperverständigungen durch die Erzeugung kollektiver Intimitäten. Öffnen Sie ihre Poren, Herzen und Gehirne. Lassen Sie sich ruhig mal den Kopf und die Füße waschen. Schreiben Sie sich ein und tauchen Sie ab in die Heterotopie postidentitärer Wirklichkeiten. Bitte beachten Sie: Badehose, Badeanzug, Bi- und Burkini oder was auch immer Sie drunter tragen möchten, kann gerne mitgebracht werden. Individualisierte Pestemals/Hamam-Tücher werden vor dem Eintritt bereitgestellt. Planen Sie mindestens zwei Stunden für die gesamte Prozedur ein. Alles andere wäre schade.
Weiteres Programm:
Tag 1 (Mi 03.06.): DIVERSIFYING
Tag 2 (Do 04.06.): HYBRIDE KÖRPER
Tag 3 (Fr 05.06.): QUEERING ISLAM
Tag 4 (Sa 06.06.): SONIC DELINKING
Tag 5 (So 07.06.): OTTOFICTION
Tag 6 (Mo 08.06.): SHAVING NEW IDENTITIES
Tag 7 (Di 09.06.): NEW COMMUNITY + NEW RITUALS
Tag 8 (Mi 10.06.): NEW COMMUNITY + NEW RITUALS
Tag 9 (Do 11.06.): TAKTISCHE SOFTNESS
Tag 10 (Fr 12.06.): TROUBLE IN THE BUBBLE: RASSISMUS EINSEIFEN
Tag 11 (Sa 13.06.): TROUBLE IN THE BUBBLE: RASSISMUS EINSEIFEN
Kurzbiografien
Krõõt Juurak, Choreographin und Performerin, geboren in Tallinn studierte Choreographie am ArtEz Institute oft he Arts in Arnhem. Ihre Arbeiten wurden u.a. bei der Mindaugas Triennial (CAC) in Vilnius, beim Impulstanz in Wien, an der Appel Boys School Amsterdam in der Kunsthalle Tallinn und am deSingel Antwerpen gezeigt.
Almut Shulamith Bruckstein Çoruh, Religionswissenschaftlerin und Kuratorin, promovierte 1992 an der Temple University Philadelphia (USA), hatte verschieden Gastprofessuren (u.a. an der Goethe-Universität Frankfurt und der FU Berlin) inne, gründete das TASWIR-Projekt und kuratierte die gleichnamige Ausstellung („Taswir – Islamische Bildwelten und Moderne“) am Martin-Gropius-Bau in Berlin. Derzeit ist sie Gastprofessorin für Philosophie und Rabbinische Studien an der Universität Hamburg.
Gefördert aus Mitteln des Elbkulturfonds der Kulturbehörde Hamburg und der Rudolf Augstein Stiftung.
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